Erlanger Liste



    Aloys Blumauer

    Virgils Aeneis travestirt

    Zweytes Buch

    Inhalt
    Wie der fromme Held Aeneas der Königinn Dido und ihrem Hofgesind die Abentheuer seiner letzten Nacht in Troja und die Zerstörung dieser weltberühmten Stadt gar rührend und umständlich erzählt.


    Im rothdamastnen Armstuhl sprach
    Aeneas nun mit Gähnen:
    Infantinn! ( * ) laßt das Ding mir nach,
    Es kostet mich nur Thränen.
    Doch alles spitzte schon das Ohr:
    Frau Dido warf die Nas' empor,
    Und schien fast ungehalten.

    Was wollt' er thun? Er mußte wohl
    Den Schlaf vom Aug sich reiben:
    Er nahm zwo Prisen Spaniol,
    Sich 's Nicken zu vertreiben:
    Drauf räuspert' er sich dreymal, sann
    Ein wenig nach, und legte dann
    Sein Heldenmaul in Falten.

    »Die Griechen hielten uns umschanzt
    Zehn volle Jahr' und drüber:
    Allein wo man Kartätschen pflanzt,
    Da setzt es Nasenstieber.
    Dieß schien den Griechen nun kein Spaß,
    Denn — unter uns — sie hielten was
    Auf unversengte Nasen.

    Mit langen Nasen wären sie
    Auch sicher abgezogen,
    Hätt' uns nicht Satanas durch sie
    Zu guter Letzt betrogen:
    Der gab der Brut ein Kniffchen ein,
    Sie thaten's, schifften flugs sich ein,
    Und schossen Retirade.

    Auf einmal war's wie ausgekehrt
    Im Lager: doch sie liessen
    Zurück ein ungeheures Pferd
    Mit Rädern an den Füssen.
    Sankt Christoph selbst, so groß er war,
    Hätt' ohne Ruptionsgefahr
    Den Gaul euch nicht geritten.

    Der Bauch des Rosses schreckte baß
    Uns seiner Größe wegen;
    Es war das Heidelberger Faß
    Ein Fingerhut dagegen,
    Und in dem Bauch — o Jemine!
    Da lagen euch wie Häringe
    Zehntausend Mann beysammen.

    Doch um das rechte Konterfee
    Von diesem Roß zu wissen,
    So denkt, die Arche Noe steh
    Vor euch — doch auf vier Füssen:
    Gebt à proportion dem Thier
    Noch Kopf und Schwanz, so sehet ihr
    Das Monstrum in natura .

    In Wien, heißt's, ist man kurios:
    In Troja war's noch drüber!
    Sie liefen hin zum Wunderroß,
    Als hätten sie das Fieber.
    Da gab's Dormeusen, Kapuchon,
    Und Hüte à la Washington
    Zu Tausenden zu sehen.

    Man guckte sich die Augen matt,
    Und hatte viel zu klaffen:
    Allein wie's geht, der Pöbel hat
    Nur Augen zum Begaffen,
    Er sieht oft, wie Herr Wieland spricht,
    Den Wald vor lauter Bäumen nicht:
    So gieng's auch den Trojanern.

    Die Politiker thaten breit,
    Und machten tausend Glossen,
    Doch hatten alle meilenweit
    Das Ziel vorbeygeschossen.
    Zwar rief ein Kästenbraterweib: ( * )
    »Das Roß hat Schurken in dem Leib!«
    Doch die ward ausgepfiffen.

    Und eh sich's nur ein Mensch versah,
    Da war, uns zu belehren,
    Ein Eremit aus Argos da,
    Der bat, man möcht' ihn hören!
    Doch macht' er's, wie die Redner all;
    Denn er begann von Evens Fall,
    Um auf das Pferd zu kommen.

    »Das Pferd, so schwur er, haben wir
    Ex Voto machen lassen,
    Und haben's Sankt Georgen hier
    Zu Ehren hinterlassen.
    Weh dem, der dran zum Sünder wird!
    Es ist geweiht und angerührt
    An Sankt Georgens Schimmel.«

    Und als noch hie und da ein Ohr
    Unüberzeugt geblieben,
    So wies er die Authentik vor.
    Auf dieser stand geschrieben:
    Wen unser Wort nicht überflihrt,
    Der sey anathematisirt!
    Denn wir sind infallibel.

    Und als um unser Ohr herum
    Zwo Fledermäuse schwirrten, ( * )
    Da war kein Mensch so blind und dumm
    Den sie nicht überführten,
    Und alles schrie: — Mirakulum!
    Der Schimmel ist ein Heiligthum,
    Laßt in die Stadt ihn bringen!

    Es hieß: man wird dem heil'gen Thier
    Die Mauern öffnen müssen.
    Flugs waren zwo Karthaunen hier,
    Um Bresche drein zu schiessen.
    Dem Schutzpatron indessen ward
    Von unsrer lieben Jugend zart
    Ein Hymnus abgesungen.

    Nach diesem nun belegte man
    Den Gaul mit vielen Stricken:
    Ganz Troja spannte sich daran,
    Ihn von dem Fleck zu rücken.
    Die Mädchen waren auch nicht faul,
    Und jede band dem Wundergaul
    Ihr Strumpfband um die Füsse.

    Und kaum war mit dem heil'gen Roß
    Der Zug nun angegangen,
    So feurte man die Stücke los,
    Und alle Glocken klangen.
    So ward der neue Schutzpatron
    In feyrlicher Prozession
    In Troja einquartiret.

    Dem Gaul zu Ehren ward fortan
    Ein Hochamt abgesungen:
    Zur Ehrenpredigt hatte man
    Herrn Pastor Götz gedungen.
    Drey Stunden nach der Predigt fand
    Man Trojens sämmtlichen Verstand
    Im Rebensaft ertrunken.

    Indessen gieng die Sonne still
    In unserm Golfo unter.
    Ein jeder schnarchte, wo er fiel:
    Der Pfaffe nur blieb munter.
    Zwar soff der Kerl, als wie ein Leu,
    Doch trank er unsre Klerisey
    Eh, als sich selbst, zu Boden.

    Kaum ward der schlaue Schuft gewahr,
    Daß nun ganz Troja schnarchte,
    So nahm er euch dieß Tempo wahr,
    Und schlich zu seiner Arche:
    Die zapft' er, wie ein Weinfaß, an,
    Und sieh! ein Strom von Helden rann
    Heraus aus ihrem Bauche.

    Die andern waren auch parat,
    Die sich verkrochen hatten,
    Und nun war ihnen unsre Stadt
    Ein rechter Sonntagsbraten.
    Sie massakrirten Mann für Mann,
    Die Wache mußt' am ersten dran,
    Sie fuhr im Rausch — zum Teufel.

    So eben hatt' ich den Achill —
    Im Traume — überwunden,
    Da weckte mich das Mordgebrüll
    Von diesen Fleischerhunden.
    Ich gieng zum Fenster — heil'ger Gott!
    Da sah ich nichts, als Mord und Tod,
    Und Stadt und Schloß in Flammen.

    Wie Ihro Majestät gesehn,
    Wenn sie oft Flöhe fiengen,
    Daß ganze Flohfamilien
    Aus jeder Falte springen,
    Und ängstlich hüpfen hin und her,
    So flohen vor dem Mordgewehr
    Der Griechen die Trojaner.

    Dieß sehn, und ripsraps war ich auch
    In meiner blanken Rüstung.
    Ich lief hinunter in den Rauch,
    Zu hemmen die Verwüstung:
    Doch als ich unten mich besah,
    Potz Element! wie ward mir da,
    Ich hatte keine Hosen.

    Der Muth steckt nicht im Hosensack,
    Dacht' ich, und hieb zusammen,
    Und warf bald da, bald dort ein Pack
    Argiver in die Flammen.
    Bald wiesen alle mir den Steiß,
    Und flohn wie Hasen heerdenweis
    Vor meinem Damaszener.

    Macht ein Narr zehn, so macht im Krieg
    Ein braver Kerl oft zwanzig.
    Bald häuften Trojer sich um mich:
    Allein das Blättchen wand sich.
    Ein Kniff verdarb's uns, der war dumm:
    Wir tauschten unsre Helme um
    Mit griech'schen Böckelhauben.

    Wir packten zwar, als wie ein Hund,
    Der Mäus' und Ratten beutelt:
    Allein das Kniffchen ward zur Stund'
    Uns jämmerlich vereitelt!
    Denn mancher volle Kammertopf
    Flog uns als Griechen auf den Kopf;
    Das stank ganz bestialisch!

    Die Feind' erkannten auch fortan
    Uns aus den Rippenstössen,
    Sie machten Front' bey Tausend Mann,
    Uns auf dem Kraut zu fressen:
    Viel Hunde sind des Hasen Tod,
    Dacht' ich, und macht' in dieser Noth
    Mich eilig aus dem Staube.

    Doch da ich, schwitzend durch und durch,
    Mein Hemd zu wechseln laufe,
    Da komm' ich, ach, beym Thor der Burg
    Vom Regen in die Traufe.
    Hier sah man erst der Feinde Wuth,
    Ich mußte im Trojanerblut
    Bis über'n Knöchel waten.

    Es sträubte sich mein Heldenhaar
    Des Mords und Greuels wegen;
    Der Kindermord zu Bethlem war
    Ein Fratzenspiel dagegen.
    Ganz türkisch metzgerte man hier
    Hatschier und Läufer und Portier,
    Und was man fand, zusammen.

    Man legte nun auch Hand an's Thor:
    Doch hatt' es gute Schlösser.
    Vor allem drang Held Pyrrhus vor —
    Der größte Eisenfresser
    Nach seinem Vater ( * ) und nach mir —
    Sein ungeheurer Speer war schier
    So groß, als wie ein Mastbaum.

    Die schwarze Rüstung deckt' ein Schopf
    Von kohlpechschwarzen Federn,
    Die Augen brannten ihm im Kopf,
    Gleich zweyen Feuerrädern,
    Kurz, sah man recht genau ihn an,
    So glich er einem Auerhahn
    Als wie ein Ey dem andern.

    Held Pyrrhus nun erbrach die Thür
    Zu Priams Tabernakel: —
    Du lieber Gott, was war das für
    Ein Jammer und Spektakel! —
    Man träumte hier nichts von Gefahr,
    Und ach, der ganze Hofstatt war
    Beynahe noch im Hemde.

    Hier schrie und jammerte ein Schock
    Geschreckter Kammerfrauen,
    Da war im Hemd' und Weiberrock
    Ein Hofkaplan zu schauen,
    Und dort, daß Gott erbarme! schlief
    Ein Kammerfräulein gar noch tief
    Im Arm des Hofpoeten.

    In Schlafrock und Pantoffeln stand
    Der König Priam fertig,
    Und war, den Säbel in der Hand,
    Nun seines Feinds gewärtig.
    Der alte Mann mit grauem Haar
    Und weissem Bart! Mein Seel'! es war
    Ein Anblick zum Erbarmen.

    Allein kaum sah ihn Hekuba,
    So schrie sie: »Gott im Himmel!
    Bedenke doch dein Podagra,
    Du alter, grauer Schimmel!
    Was nützte denn das Fechten dir?
    Kriech lieber unter's Bett zu mir,
    So sind wir beyde sicher.«

    Allein, o weh! schon hörte man
    Das feindliche Getümmel:
    Der Feind lief haufenweis heran,
    Und Pyrrhus war ein Lümmel.
    Er sah ihn, und ein Hieb, so flog
    Herab der Kopf — da lag der Stock, ( * )
    So lang er war, am Boden.

    Indem nun dieses arrivirt,
    Hatt' ich mich weg vom Haufen
    In einen Tempel retirirt,
    Ein Bischen auszuschnaufen.
    Potz Hagel, was erblickt' ich da!
    Da saß die saubre Helena
    Versteckt in einem Beichtstuhl.

    Hättst wohl zu beichten, dacht' ich mir,
    Du Muster aller Metzen!
    Ganz recht, du kömmst mir nicht von hier,
    Ich haue dich zu Fetzen,
    Und lass' ein Stück in jeder Stadt,
    In der man solche Weiber hat,
    Aufhängen zum Exempel.

    Ja, so gering der Ruhm auch ist,
    Ein schwaches Weib zu tödten,
    So muß doch jeder gute Christ
    Die Welt von Sünden retten.
    Potz Wetter! warum wär' ich denn
    Der fromme Held Aeneas, ( * ) wenn
    Ich nicht die Sünden strafte?

    Und als ich schon vom Leder zog,
    Die Hexe zu tranchiren,
    Da zupfte Venus mich am Rock,
    Und rief: »Sind das Manieren?
    Was gehn dich fremde Sünden an?
    Schau lieber, was dein Sohn Askan,
    Und Weib und Vater machen.

    Ich, der ich sonst dem Teufel steh',
    Erbebte nun vor Lanzen
    Und Schildgeklirr, und zitterte
    Für meinen theuren Ranzen.
    Indessen trug ich meinen Sack
    Ganz unverletzet, huckepack,
    Durch Nacht und Graus und Flammen.

    Auf einmal schrie mein Vater:
    »Sohn, Sohn, tummle dich nur weiter!
    Ach, siehst du, siehst, sie kommen schon
    Heran, die Bärenhäuter! —«
    Ich fort, als brennte mir der Kopf,
    Zog meinen Jungen nach beym Schopf,
    Und ach — verlor Kreusen.

    Ich Dummkopf merkte das nicht eh,
    Bis wir am Bierhaus stunden,
    Da sah ich um, und rief: o weh!
    Da war mein Weib verschwunden.
    Patsch! — schmiß ich meinen Vater weg,
    Und lief im allergrößten Dreck
    Zurück, um sie zu suchen.

    Ich suchte, wie ein Narr, und schrie:
    »Wo hat dich denn der Teufel?
    Kreusa! — Schatzkind! — Rabenvieh! —
    Ha, dich hat ohne Zweifel
    Ein griechischer Husar erhascht!
    0 wehre dich! der Hund verpascht
    Dich nach Konstantinopel.«

    Auf einmal faßte eine Hand
    Eiskalt mich an der Kehle:
    Ich schlug ein Kreuz, und da erkannt'
    Ich ihre arme Seele.
    Kreusa, rief ich, bist du todt? —
    Du arme Närrinn, tröst' dich Gott!
    So bin ich also Wittwer!

    Wie ich dich liebte! wie um dich
    Itzt meine Seufzer knallen!
    O du — und hier vergaß ich mich,
    Wollt' um den Hals ihr fallen:
    Allein der leichte Schatten wich,
    Wie Luft, mir aus der Hand, und ich —
    Fiel nieder auf die Nase.

    Die Hexe kann doch nimmermehr,
    Dacht' ich, das Foppen lassen!
    Stund auf, und lief getrösteter,
    Als Wittwer, durch die Gassen,
    Und was noch mehr mich tröstete,
    Die ganze Schenke wimmelte
    Nun schon von Extrojanern. ( * )

    Auf, Brüder, rief ich, fasset Herz!
    Laßt Troja, laßt die Räuber!
    Glaubt mir, es giebt auch anderwärts
    Noch Wein und schöne Weiber.
    Es leb' Aeneas! schrie ein Hauf',
    Und alle pokulirten drauf,
    Und zechten, bis es tagte.



    (*) Infandum, Regina, jubes renovare dolorem. AEneid. L. II. v. 3. [zurück]
    (*) Tune etiam fatis aperit Cassandra futuris Ora. ---;LII. v. 246.seq. [zurück]
    (*) Ecce autem gemini –-
    --- immensis orbibus angues &e. L. II. v. 203. seq. [zurück]
    (*) Dem Achill. [zurück]
    (*) ---; Jaeet ingens littore truncus. L. II. 557. [zurück]
    (*) Sum pius AEeneas. L. 1. v. 382. [nach neuerer Zählung 378] [ zurück ]
    (*) --- miserabile vulgus. L. II. v. 798. [ zurück ]



    Textauszug aus der 1782 bis 1788 entstandenen, Fragment gebliebenen Travestie auf Vergils Epos "Aeneis".
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