Variationen auf ein Thema von
Friedrich Gottlieb Klopstock
Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht,
mit entspanntem Munde gepriesen; schöner ein künstlich Gebiß,
das den großen Gedanken
einer Schöpfung noch einmal käut.
Dort, wo der schimmernde Fluß sein Kleingeld verspielt,
oder hobest du dich schon wieder ab in den Äther -?
komm, da der Abend den seidenen Stander setzt, bleu-weiß-rot,
die Fahne aus Hauch und Traum...
komm, oh komm auf der farblosen Schwinge des Winds
- so wie er den zartgesalzenen Flügel rührt -
dreigestrichnes BEWUSSTSEIN:
dem am Reißbrett entworfenen Phönix gleich.
Schon lag hinter uns weit der Süllberg,
Sagebiels Gasthof, gepflegte Biere, Bäume klettern den Hang hoch,
Flieder-Kastanien-und-Rotdorn, schooon
sog uns die Schwerkraft am Hintern.
Schulau: der Abend mit silbernem Kamm im Haar,
wenig Erkenntnis und kaum noch Veränderung,
nur das verdorbene Herz,
das seine Synkopen hackt;
nur dies Herz, und ein instabiles,
grobes Gefühl in der Brust, der hochgemöbelte Ursprung;
und wir sangen hinter dem Segel
und empfanden wie Schmidt.*
Jetzo den Himmel! Beachtlich! Links hinterm Schweinesand:
halb entblößt über der flachgebackenen Insel -
da, da hängtest du SCHWERKRAFT
volles Maßes dich bei uns ein.
Süße Hinfälligkeit, du, dich empfanden wir;
natürliche Tochter des - nun-nun - Geworfenseins,
das uns die Rute durchsüßt,
uns an den Boden pflöckt.
Vom Sommer überrollt und schon aufs Kreuz gelegt,
Eli - Eli! bei geerdeter Seligkeit
sind wir beschlossen in das,
was uns unter der Jacke schwelt.
Es gibt uns noch, Kameraden, unwiderlegbar,
- und bewiese uns nur das Fleisch, das sich warm in der Hose bewegt -
lauter stammelt das Sterbliche:
Coeo ergo sum!
Die Welt auszusaugen, die wir nicht verstehn,
sind wir gekommen, im Bunde mit allem, was stirbt und stinkt -
Tomeihoda! zur Hälfte Subtilität,
fuffzig Prozent Remmidemmi!
Also schlürfen und reflektieren und dies: unter durchaus zweideutigem
Himmel:
Mein Ich-und-Alles, der in Wodka gelöste Widerspruch....
Ab durch die Mitte nun!
Ab in den Acheron!
Du mit der Plombe im Zahn und dem schlechten Geschmack im Mund,
faselnd von Unsterblichkeit und nachgespendetem Ruhm,
wen bringt die ausgelutschte Fanfare
noch auf die Socken?
Wen? da nur Schatten schwärzet den Rückspiegel unsrer Erinnerung:
Der alles verändern wollte, liegt unter den Rüben;
und wo ist die schöne Zeit als
Eff Nietzsche noch in der Sandkiste spielte?!
Ausgekaut hat der Unterkiefer von Mauer;
wie im Aug des Edlen der Himmel für immer gelierte -
Mächtiger und gefräßiger noch als der Mensch
ist die wortlos mampfende Erde.
Einen Schoß zu beschicken, was lohnt's?
und was: ein knollend Geschlecht fortfahren zu machen,
daß es weiter den Erdball trete
in Entzücken und Skepsis -?
Nichts, garnichts rechtfertiget den gewaltigen Leerlauf der Zeugung,
nur, weil es dich einmal gibt und du dich noch auf den Beinen hältst,
misch dich unters Bestehende,
im magnetischen Feld auf Beglückungen aus.
Jaaa, ganz in Weite gelöst und mit nichts als Südwind angetan,
gleiten wir durch sich langsam zersetzenden Tag
sacht ins
fliederverhangene Maul der Bucht....
treiben wir, wissend, daß Messer für alle gewachsen sind,
eine Kinderzitze im Mund, nicht unwürdig unser Verderblichkeit:
Glücklich noch einmal eh
der Himmel uns abtut an Kindes Statt.
*
Schmidt, Arno; Bargfeld, Kreis Celle.
Parodie von 1959 auf Klopstocks Ode "Der Zürchersee" (1750).
© Peter Rühmkorf. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung
des Autors. Jede kommerzielle Verwendung dieses Textes ist untersagt!