Erlanger Liste



    Faust


    Z w e i t e r A c t
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    Siebenter Auftritt.



      Erste Chorführerin.
      Männer, erschrecket nicht, wir sind die Bilder
      Eines zerrissenen, kläglichen Reiches;
      Haben uns häßlich unter uns selber
      Ueber den Vortanz unseres Reigens
      Lang gezankt.

      Zweite.
      Seit ihr den Hader unter euch zweien
      Friedlich geendet und durch der Eintracht
      Kräftige Bande euern Bedränger
      Muthig besieget, ziehet uns Liebe
      Hin zu euch.

      Dritte.
      Kräftige Arme sollen uns lenken,
      Wollen uns schlingen, wollen uns schwingen,
      Liebend uns neigen, reizend uns beugen,
      Wollen uns fügen, wollen uns schmiegen
      Ganz an euch.

      Vierte.
      Gebet der Einen, gebet der Andern
      Jeder an Jede, ohne zu wählen,
      Ohne des Neides widriges Eifern
      Nun in des Reigens lieblichem Wirbel
      Froh die Hand.

      Valentin.
      Blitz! Sind das nette Mädel, runde, fixe!
      Was machen sie für allerliebste Knixe!
      Was meinst du, Faust, das sind nicht Höllengeister?
      Ein Tänzchen nach so schweren Thaten,
      Das kann nichts schaden!

      Faust.
      Ich selber fühle mich bei diesen dreister;
      Ein Walzerchen möcht’ ich wohl wagen -
      Doch was wird Gretchen sagen?

      Valentin.
      Ach, darum mußt du dich nicht grämen!
      Die Schwester wird’s nicht übel nehmen!
      Dein Fürsprech bin bei ihr ich, alter Junge;
      Nun greife zu, versuche Bein und Lunge.

      (Es ertönt eine fröhliche Tanzmusik nach der Melodie: „Schwäbische, bairische, sächsische Mädel, Juchhe.“ Es wird gewalzt. Während des Tanzes:)


      Gesang unsichtbarer guter Geister.

      Glücklich erstanden!
      Selig derjenige,
      Welcher wie Wenige
      Hat die Helenige,
      Kunstvoll natürliche,
      Wächsern figürliche,
      Dann die Euphorische,
      Springend emporische,
      Nasenweiß knabische,
      Gummi arabische,
      Dann die mephytische,
      Furchtbarlich kritische,
      Vielleicht politische,
      Schließlich die mutternde,
      Nerven erschutternde
      Herz fast verbutternde
      Prüfung bestanden!
      Dir auch, o anderer
      Unterweltswanderer,
      Derblicher
      Sterblicher,
      Der du entrißest schon
      Früher den Sorgensohn
      Voll Resolution
      Aus jener brätlichen
      Duftend salätlichen
      Sinnebeschleichenden,
      Nasebestreichenden
      Prüfung und treuelich,
      Nimmermehr scheuelich
      Jetzo ihn schützetest
      Und mit ihm schwitzetest
      Feind niederblitzetest
      Sagen wir Amen
      Nach dem Examen!

      (Während fröhlich abgewalzt wird, fällt der Vorhang.)


    Schluß aus:

    D r i t t e r A c t
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    Fünfter Auftritt.



      VALENTIN.
      Pros't Mahlzeit! Nun, ein rechter guter Magen
      Kann schon etwas vertragen!

      FAUST.
      Begreifst du denn bis zu dem letzten Schritt
      Auch nimmermehr ein tiefstes Symbolum?
      Gesang der Eingeweihten geht jetzt um:
      So sammle dich und singe würdig mit!

      D. MARIANUS.
      Dieses Historium

      D. ECSTATICUS.
      Ist kein Brimborium

      D. SERAPHICUS.
      Ist Allegorium

      D. PROFUNDUS.
      Ursinns Sensorium

      FAUST.
      Urpräzeptorium

      GRETCHEN.
      Bildungs=Doctorium

      VALENTIN.
      Schuh=Revisorium.

      Unsichtbarer Chorjüngerer Geister.
      Seelen=Ciborium

      Unsichtbarer Chor älterer Geister.
      Ohne Cichorium

      Unsichtbarer Chor ganz alter Geister.
      Urigen Urbegriffs Repetitorium!

      D. MARIANUS.
      Empor nun, ganzes Auditorium!
      Aufschwingt euch zum Emporium,
      Allwo unbeschnipfelt
      Die Idee sich gipfelt,
      Wo das I sich tüpfelt,
      Wo der Weltbaum wipfelt,
      Wo die Weltwurst zipfelt!

      (Während sämmtlicbe sichtbare Personen sich anfaßen und nach der Höhe des Wolkenberges zu schweben beginnen, ertönt ein)

      CHORUS MYSTICUS.

      Das Abgeschmackteste,

      Hier ward es geschmeckt;

      Das Allervertrakteste,

      Hier war es bezweckt;

      Das Unverzeihliche,

      Hier sei es verzieh'n;

      Das ewig Langweilige

      Führt uns dahin!

      (Die Personen schweben zu der Null empor; man bemerkt noch, daß einige Schwierigkeiten, welchen diese Bewegung bei Valentin unterliegt, durch Nachhülfe der Uebrigen beseitigt werden. Inzwischen wird jetzt bei steigender Klarheit am höheren Himmel ein offenes Fenster sichtbar, aus demselben schaut GÖTHE; man hört ihn herzlich lachen.)

      GÖTHE.
      Mein Lebtag hab' ich nicht so froh gelacht,
      Noch seit ich hingieng zu der Geisterhalle;
      Der tolle Kerl, der diesen Spuk erdacht,
      Der hat mich lieber, als ihr andern Alle!

    FINIS.




    1862 erstmals erschienene Parodie Friedrich Vischers auf Goethes "Faust II".
    Vorlage
    Faust. Der Tragödie zweiter Teil im Projekt Gutenberg.

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