Anonym I
SUHRKAMP UND ALDI (2)
Peter Handke
Höchlichste Heimat
Gipfelbucheintragung auf
dem Großglockner &
intrikate Prosa aus hohen Jahren
Text
72 S. Engl. brosch. DM 28,-
Handkes jüngste Prosa, die Suhrkamp in der
edition sual
rasch dem letzten, kaum erst verklungenen Werke Handkes nachfolgend nun
vorlegt, teilt sich in drei kühne Abschnitte, die, obzwar formal getrennt
und damit dem Leser erst erkennbar, einen einzigen großen Heimgang
beschreiben, der in gewaltigem Bogen von Peters Dom - vorbei an Hunden und
Menschen - im Verfolg letzten Wissens zum blaugebirgigen Felsdom
(Handke) des Großglockner führt, den Handke als den wahrsten
Dom, der
ist
bezeichnet. Felskundiges wie Kündiges einen sich zu einem
glühgesichtigen Reigen (Handke), der nur dann und wann von
Gipfelbucheintragungen Handkes zerschnitten wird, die der namhafte Alpenwart
Alwin Streibl in jahrelanger, alpinistischer wie literarischer Passion vom
Gipfel geholt, gesammelt und datiert hat. Handke und immer wieder Handke
beweisen uns, daß die Sicht vom Berg
einfach prima
(Handke) ist.
Gertrud Leutenegger
Ballerfrau
Prosa-Poem
96 S. Leinen. DM 6, 80
Ballermann: in kaum einer anderen Vokabel werden Hypertrophie und
Erbärmlichkeit maskuliner Megalomanie so deutlich und quasi handgreiflich
wie in diesem.
Gertrud Leutenegger unterzieht diesen Topos einer ebenso konsequenten wie
überraschenden Kritik: sie greift ihn an, indem sie ihn - im
überschreitenden Diskurs poetischer Sprache - in sein Anderes
übersetzt und ihn damit dem befreienden Lachen preisgibt.
"Ballerfrau" der
edition sual
ist die helvetisch-subtile Antwort auf das Syndrom des
Mackertums
(Leutenegger). Dabei versteht es die Leutenegger meisterhaft, die Skylla des
Affektiv Femininen ebenso zu meiden wie die Charybdis maskiler Näherungen.
Das vorliegende Buch zeigt an einem Beispiel, das seinesgleichen sucht,
daß Heiterkeit und eine tiefverschmitzte Trockenheit der Prosa
und
eine betont weibliche Volldialektik durchaus vereinbar sind: selten ist es so
überzeugend gelungen,
einen
Gedanken, der letztlich keiner ist, auf die Länge eines Buches zu
expandieren.
Franz Xaver Kroetz
Mariacron
Als die Prozente
laufen lernten
Mit einem Aufführungsbericht
von Karlheinz Braun
192 Seiten. Mit 18 z. T. einfarbigen
Abbildungen. Kart. DM 9,-
Auf den ersten Blick scheint dieses neue Stück von Kroetz sich ganz in
vertrauten Bahnen zu bewegen - der Titel, unter dem es in der Reihe
edition sual
vorgelegt wird, signalisiert Bayern, Katholizismus und jene nur allzu bekannte
ldiotie des Landelebens. Doch wer so denkt, ist schon der
bajuwarischen Dialektik des Autors auf den Leim gegangen: ist doch Mariacron
auch
ein Produkt einer Industrie, die - weit entfernt davon, bayrisch zu sein -
durchaus das ist, was ein - in sich freilich nicht unproblematisches -
bayrisches Vorurteil preußisch nennt. So lebt dieses Stück aus der
lebensnahen Reibung zwischen bayrischer
Konsumtion
und vorgeblich preußischer
Produktion
- eine Verblendung, die im Stück auf die sinnloseste Weise
sinnfällig wird.
In einer überraschenden Volte gelingt es dem Autor, das Thema auf ein
gleichsam mondiales Niveau zu heben: Puschkin - russischer Dichter, doch im
Westen gedruckt;
Puschkin
russischer Wodka, doch im Westen gebrannt. Ist ein Szenario denkbar, in dem
dieser Widerspruch nicht atomar, sondern argumentativ möge gelöst
sein? Das Stück von Kroetz ist ein niederbayrischer Beitrag dazu -
großmäulig und verdruckst,
d. h.: Gehalt und Stil
am
Stück.
Fritz J. Raddatz
Praktisch überall
Eine Selbstvergewisserung
an Walter Scheel
256 S. Leinenimitation. DM 4,80
Fritz J.Raddatz, der mit dem hier in der
edition sual
vorgelegten Versuch weiter auf der Suche bleibt, bestimmt in dieser - zumal
im deutschen Raum - beispiellosen Selbstvergewisserung nicht nur und vor allem
sich selbst, sondern gerade auch das
eigene
Andere im imaginierten Gegenüber und findet schließlich in der
Person Walter Scheels dasjenige Entgegengesetzte, das es ihm erlaubt, den
Eros des Politischen (Raddatz) konturlos zu umreißen.
Darüber hinaus vermag Raddatz, in einem geglückten
Anverwandlungsprozeß, dessen Mühlseligkeit in keinem einzigen Satz
durchscheint, sich das
Politische
in einem seiner Höchsten Häupter einzuverleiben und diesem so seine
verlorengegangene gesellschaftliche Identität jenseits
staatssüchtiger Linksmeierei wiederzugeben. Erstmals wirft der Autor,
als der er sich begreift, heute Fragen auf, die längst schon und auf lang
hinaus beantwortet sind. Dem Band sind Protokolle der von Fritz J. Raddatz
ausnahmslos verlorenen Golf-Partien mit Walter Scheel beigegeben, die Horst
Tappert für die
edition sual
aus dem Gedächtnis aufgezeichnet hat.
Parodie auf die Buchankündigungen des Suhrkamp Verlags
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